Ganz bestimmt gibt es angenehmere Dinge, als den Marktbearbeitungsplan in allen Facetten zu hinterfragen, weil das neue und wesentlich kleinere Budget einfach nicht reichen will. Wie sich das anfühlt? Wie der Versuch, den eingegangenen Lieblingspulli überzuziehen: Frustrierend und enttäuschend.
Es geht um mehr als nur Einsparungen
Kürzlich meinte eine Kundin zu mir: "Jetzt müssen wir alle nochmals über die Bücher! Mit dem Einbruch der Konjunktur hat sich die Situation bei uns radikal verändert. Unser bereits freigegebenes Budget wurde halbiert!"
Wieso das Rasenmäherprinzip nicht funktioniert
Will man einschlägigen Studien glauben, greift die Mehrheit der Entscheider:innen in solchen Situationen fast reflexartig zum "Rasenmäherprinzip". Die Budgets werden ohne nähere Prüfung pauschal um einen festen Betrag oder Prozentsatz gekürzt.
Der einzige Grund für eine Massnahme wie diese, liegt meiner Meinung nach in der Umsetzungsgeschwindigkeit. Ruckzuck können Budgets über alle Abteilungen, Touchpoints und Kampagnen hinweg gekürzt werden. Aber ist das die Lösung? Nein. Bereits im Normalmodus kämpft man in der Marktbearbeitung bekanntlich mit bis zu 70 Prozent Streuverlusten. Und beim pauschalen Zusammenstreichen entsteht leider häufig noch mehr Streuverlust! Hinzu kommt, dass Unternehmen, die im Blindflug Kosten sparen wollen, auch die Chance verspielen, die Marktbearbeitung zukunftsfähig zu machen. Dabei lohnt es sich, die Investitionen dorthin zu lenken, wo sie den grössten Nutzen haben. Entsprechend ist ein datenbasierter, ganzheitlicher Ansatz mit analogen und digitalen Touchpoints entscheidend und hilft, genau diese Potenziale zu erschliessen.
Drastische Budgetkürzungen sind aber auch für die Mitarbeiter:innen belastend. In derartigen Extremsituationen ist es daher wichtig, dass offen und respektvoll miteinander umgegangen wird. Will man Erfolg haben, müssen alle am gleichen Strang ziehen und dafür braucht es eine gemeinsame Richtung und ein konkretes Ziel.Bei den erwähnten 50 Prozent Einsparungen kommt mir ein deutscher Auftraggeber in den Sinn, den ich vor einigen Jahren im Exportmarkt Spanien unterstützen durfte. Der dramatische Niedergang der Bauindustrie bedrohte damals die ganze Wirtschaft. Die Zielvorgabe war klar und messbar: Budgets halbieren und Marktanteil gewinnen. Die Quadratur des Kreises?
In enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber führten wir unsere 360°TOUCHPOINT-Analayse (https://www.accelerom.com/360touchpoint/) durch. Lange Rede, kurzer Sinn: Durch die Identifikation der zentralen Touchpoints konnten Performancepotenziale ausgemacht und erschlossen werden, was schliesslich zur Erreichung des Ziels führte! Seit diesem Projekt sind viele neue hinzugekommen und ich habe drei "Lessons Learned" persönlich mitgenommen:
- Gemeinsame Ziele erarbeiten und bereichsübergreifende Zusammenarbeit verstärken
- Ruhig Blut, auch wenn Zeitdruck da ist – vermeiden, dass man nur Brände löscht
- Belastbare Entscheidungsgrundlagen für verschiedene Umsetzungsszenarien schaffen
Abbildung 1: Die Effizienz von Marktbearbeitungsmassnahmen ist längst keine Blackbox mehr. Durch eine intelligente Reduktion und Fokussierung kann Komplexität überwunden und gleichzeitig messbar mehr Markterfolg erzielt werden.
Es geht um mehr als Werbung
Im Kern geht es darum, die relevanten Touchpoints in der der Customer Journey zu identifizieren, die Digitalisierung voranzutreiben und die Wirkung der Investitionen zu maximieren. Dabei sollte der Blick nicht exklusiv auf den analogen und digitalen Paid-Touchpoints – wie z.B. Plakate, Inserate, Online-Werbung – liegen, sondern vor allem auch auf Owned-Touchpoints. Owned-Touchpoints gewinnen seit Jahren an Bedeutung. Je nach Branche und Unternehmen liegt der Wertbeitrag zwischen 60 und 80 Prozent.
Umgang mit Budgetkürzungen
Einsparungen von 5 bis 10 Prozent sind einfach realisierbar. Ab 20 Prozent wird es tatsächlich kompliziert. Relativ schnell lohnt es sich, einen Zero-Based Budgeting-Ansatz zu verfolgen, also von Grund auf neu zu planen.
Ab Budgetkürzungen von 30 Prozent fehlt es in der Regel an allen Ecken und Enden. Mit pauschalen Empfehlungen bin ich eher zurückhaltend. Doch bei allen Sparmassnahmen darf nicht vergessen werden, dass ohne Werbung die Marke aus dem Bewusstsein der potenziellen Kund:innen verschwindet. Auch (oder gerade) in schwierigen Zeiten sollte dem Stellhebel «Kreativität» in der Marktkommunikation besondere Beachtung geschenkt werden. Denn erfolgreiche Kampagnen brauchen kreative Ideen und Mut. Ansonsten besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Markenwerte und auch die Umsätze schon nach einigen Monaten weiter erodieren. Unternehmen stehen somit vor der Herausforderung, dass sie bei ihren Sparplänen die richtige Balance finden müssen.