Skip to content
Accelerom Team25.07.25 15:407 min read

Umbau der Marktbearbeitung: Gemeinsam ins Tun kommen

Die Marktbearbeitung steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Sie wird nicht nur digitaler, sondern komplexer, schneller und weniger vorhersehbar. Erfolgreiche Unternehmen erkennen: Wer im Wettbewerb bestehen will, muss traditionelle Denkmuster hinter sich lassen und den Mut aufbringen, neue Wege zu gehen – und zwar weit über operative Optimierungen hinaus. Das bedeutet: Der Umbau der Marktbearbeitung ist kein «nice-to-have», sondern ein strategisches Muss. Denn nur wenn Transformation gezielt gesteuert, in konkrete Maßnahmen übersetzt und kontinuierlich messbar gemacht wird, lassen sich die tatsächlichen Performancepotenziale realisieren.

Autoren: Christoph Spengler und Natascha Moser

 

 
Kaum ist die Budgetbesprechung eröffnet, wird deutlich: Die verfügbaren Mittel reichen nicht aus, um alle geplanten Maßnahmen im kommenden Jahr umzusetzen. Und dennoch kreist die Diskussion – wie jedes Jahr – um die großen, etablierten Posten der Marktbearbeitung: Ausstellungen, Verkaufsstellen, TV-Spots oder nationale Plakatkampagnen.

Gerade diese klassischen Formate, oft mit den höchsten Budgets versehen, haben sich über Jahre hinweg in den Planungen verfestigt – wie unverrückbare Konstanten. Dabei hat sich die Realität längst verändert: Unsere (potenziellen) Kund:innen – inklusive älterer Zielgruppen – bewegen sich heute selbstverständlich in digitalen Kanälen.

 

Ein bekanntes Paradox: Wir wissen, was zu tun wäre - und tun es dennoch nicht

Tatsächlich wird nach wie vor zu selten konsequent hinterfragt – und noch seltener mutig umgesteuert. Es fehlt entweder an belastbaren Daten, die die Notwendigkeit untermauern, oder an Mut, die gewohnten Wege zu verlassen. Der Veränderungsdruck ist spürbar, aber der Wille zur echten Neuausrichtung ist vielerorts nicht ausgeprägt genug. Gerade in solchen Situationen bewährt sich ein pragmatischer Ansatz:

 

«Slice-the-elephant»: Grosse Aufgaben in machbare Schritte teilen

Ein sinnvoller Startpunkt liegt in der differenzierten Betrachtung strategischer und operativer Transformation:

  • Strategische Transformation zielt auf eine fundamentale Neuausrichtung des Unternehmens oder Geschäftsmodells ab – etwa durch neue Zielgruppen, Positionierung oder Wertangebote. Ziel ist langfristiges Wachstum und strukturelle Wettbewerbsfähigkeit. 
  • Operative Transformation konzentriert sich auf die Effizienz und Wirksamkeit bestehender Strukturen: Prozesse, Tools, Kanäle und interne Zusammenarbeit werden optimiert, um kurzfristige Performancepotenziale zu realisieren.

Beide Perspektiven sind wichtig – und sollten komplementär gedacht werden. In der Beratungs-praxis zeigt sich: Transformation wird oft zu unsystematisch angegangen. Was fehlt, ist ein konkreter, bereichsübergreifender Rahmen, der Neugier, Beteiligung und Experimentierfreude ermöglicht. Anders gesagt: Es braucht ein «Turngerät» – ein überschaubares, aber ambitioniertes Projekt, das echte Veränderung anstößt, erste Learnings liefert und weitere Schritte vorbereitet.

 

Praxisbeispiel: Wenn Transformation an der Realität scheitert

Ein anschauliches Beispiel liefert ein national tätiger Retailer – der Name ist dabei zweitrangig, denn viele Unternehmen stehen vor vergleichbaren Herausforderungen. Trotz des fortschreitenden digitalen Wandels fließt ein erheblicher Anteil des Marketingbudgets weiterhin in unadressierte, gedruckte Werbesendungen – klassisch als «Postwurf» bekannt.

Vor dem Hintergrund veränderter Mediennutzung stellt sich zunehmend die Frage:
Sind diese Investitionen heute noch zeitgemäß?

Einige große Handelsketten sind bereits einen Schritt weiter gegangen – zumindest testweise: Postwurfsendungen wurden ausgesetzt, um deren Relevanz zu prüfen. Die Reaktion folgte prompt: Die Umsätze sanken spürbar, woraufhin der vorherige Kurs rasch wieder aufgenommen wurde.

Ein Schritt nach vorn – und gleich wieder zurück. Solche Erfahrungen sind keine Einzelfälle. Sie verdeutlichen jedoch, wie schwer es fällt, traditionelle Strukturen zu hinterfragen, Budgets konsequent umzuschichten und die Transformation aktiv voranzutreiben.

 

Was die Daten zeigen - und was sie nicht zeigen

Eine Touchpoint-Analyse bringt mehr Klarheit: 

  • Rund 60 % der Haushalte in der relevanten Zielgruppe tragen einen «Stopp Werbung»-Hinweis am Briefkasten.
  • In urbanen Gebieten liegt dieser Anteil sogar bei über 80 %.
  • Ein signifikanter Teil der Zielgruppe ist somit über diesen Kanal gar nicht mehr erreichbar.

Gleichzeitig zeigt sich: Wo Postwurfsendungen tatsächlich ankommen, können sie durchaus Wirkung entfalten – insbesondere im Hinblick auf Zusatzverkäufe und Impulskäufe.

Eine weitere, oft übersehene Erkenntnis: Die Überschneidung zwischen den Empfänger:innen von Postwurfsendungen und den Abonnent:innen digitaler Newsletter ist äußerst gering. Das bedeutet: Wer die gedruckte Werbung einstellt, verliert nicht automatisch an digitaler Sichtbarkeit – sondern riskiert schlicht, unterschiedliche Segmente gar nicht mehr zu erreichen.

Und nun? Die zentrale Frage: Wie weiter? Das Beispiel zeigt exemplarisch, woran Transformation in der Marktbearbeitung oft scheitert:

  • Einzelmaßnahmen ohne strategischen Unterbau
  • Fehlende Test- und Lernräume
  • Zu frühes Zurückrudern bei ersten Rückschlägen

Was es braucht: Eine strukturierte, differenzierte Analyse der Zielgruppen und Touchpoints – und darauf aufbauend ein balanciertes System aus klassischen und digitalen Kanälen, das testbasiert weiterentwickelt wird. 

 

Kanäle gezielt verknüpfen - statt nur in Einzelmaßnahmen zu denken

Wie wir alle wissen, erzielt kein Kanal oder Touchpoint eine völlig streuverlustfreie Wirkung. Umso wichtiger ist es, die jeweiligen Stärken und Schwächen der eingesetzten Maßnahmen zu kennen – und sie gezielt miteinander zu kombinieren. Es geht nicht mehr darum, einzelne Maßnahmen isoliert zu betrachten, sondern die verschiedenen Touchpoints entlang der Customer Journey wirkungsvoll zu verknüpfen – analog und digital, sowie paid, owned und earned.

 

Welche Optionen bieten sich an?

Um die sinkende Reichweite über den Briefkasten zu kompensieren, empfiehlt sich ein Mix aus digitalen, physischen und vernetzten Touchpoints in der Marktkommunikation. Mögliche Optionen wären beispielsweise:

  • Digitale Kanäle stärken: gezieltes E-Mail-Marketing, lokale Social Media Ads, Google Ads und Programmatic Advertising
  • Physische Sichtbarkeit erhalten: Außenwerbung, lokale Aktionen und Kooperationen mit regionalen Partnern
  • Kanäle verknüpfen: Crossmedia-Ansätze wie Prospekte mit Verweis auf Online-Angebote oder App-Rabatte
  • Kundenbindung fördern und Datenbasis ausbauen: durch Kundenprogramme, Newsletter und gezielte Anreize zur Datenerhebung 

Die zentrale Frage lautet nun: Welcher Maßnahmen-Mix funktioniert am besten, um das Potenzial im Einzugsgebiet der Filialen und des Onlineshops gezielt auszuschöpfen?

Hierfür gibt es leider keine Standardlösung, die für alle Branchen funktioniert. Vielmehr ist es wichtig, dass sich die Verantwortlichen in einem Unternehmen auf eine überschaubare Testanlage oder ein Thema einigen – sozusagen das Turngerät.

Damit verbunden ist die Überlegung: Welche konkreten Schritte und Prozesse sind nötig, um die Transformation wirksam voranzutreiben? So wird sie auch besser greifbar und erscheint nicht gleich wie ein riesiger, unüberwindbarer Berg.

Ziel ist es, die vorhandenen Ressourcen kanalübergreifend einzusetzen, die relevanten Zielgruppen differenziert anzusprechen und den Wechsel vom bisherigen Massnahmen-Mix auf den neuen strategisch zu gestalten.

ACC_3 Testkonzepte Umbau Marktbearbeitung_250703_graphik 1-jpg

Abbildung 1: Überblick über die drei unterschiedlichen Testkonzepte: Je Konzept wurde jeweils ein alternativer Massnahmen-Mix in der definierten Testregion ausgespielt und im Vergleich zu den anderen Filialen mit dem klassischen Postwurf analysiert.
 

Projekt «Umbau der Marktbearbeitung» - ein Einblick

Unser erprobtes Praxisvorgehen, wie eine gezielte Neuausrichtung der Marktbearbeitung konkret gelingen kann – auch bei komplexen Ausgangslagen mit vielen bestehenden Aktivitäten.

Ausgangslage: Der klassische Postwurf soll kritisch hinterfragt und faktenbasiert möglichen alternativen Ansätzen der Marktbearbeitung gegenübergestellt werden. Ziel ist es, so viele Zielpersonen wie möglich zu erreichen und zu aktivieren. Ein mögliches Vorgehen:

  • Customer Journey und Touchpoint-Nutzung verstehen: Als Ausgangslage für das Projekt «Umbau der Marktbearbeitung» diente eine 360°TOUCHPOINT-Studie. Befragt wurden Kundinnen, Kunden und auch potenzielle Nichtkundschaft – mit dem Ziel, die Nutzung und Relevanz unterschiedlicher Touchpoints besser zu verstehen. Die erhobenen Daten bildeten gleichzeitig die Grundlage für ein Touchpoint-Mix-Modelling: Ein Algorithmus berechnet dabei die optimale Kombination verschiedener Touchpoints für ein definiertes Wirkungsziel – inklusive kombinierter Reichweiten und möglicher Synergieeffekte. So lassen sich datenbasiert konkrete Hypothesen für Testanlagen ableiten.
  • Massnahmen priorisieren: Auf Basis der Analyse wurde deutlich, welche Kanäle überproportional Ressourcen binden – bei gleichzeitig fraglicher Wirkung. Ein besonderer Fokus fiel auf die klassische Postwurfsendung als kostenintensiven, aber oft wenig differenzierten Kanal.
  • Testanlage konzipieren: In einem klar abgegrenzten Marktgebiet (rund ein Zehntel aller Filialen) wurde eine Testanlage aufgebaut. Die Auswahl der Filialen und die Zuordnung zu dem Testcluster erfolgte gezielt nach geografischer Nähe und vergleichbarer Markt- und Umsatzstruktur. So wurde z. B. vermieden, dass überproportional viele umsatzstarke Standorte in einem Cluster landen – mit dem Ziel, das Risiko im Rahmen des Tests zu minimieren und dennoch belastbare, vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. Die Testcluster wurden dann in der Feldphase jeweils mit einem anderen Massnahmen-Mix bespielt – bewusst ohne klassischen Postwurf, dafür mit gezielten Alternativen.
  • Wirkung messen: Die Wirkung (Nettoeffekte - z.B. auf Umsatz, Transaktionen und Durchschnittsverkäufe) der einzelnen Varianten wurde anhand harter Daten gemessen: Transaktionen, Umsätze und Entwicklungen im Vergleich zum Restmarkt aber auch zwischen den unterschiedlichen Clustern. So konnten valide und belastbare Aussagen zur Effizienz und Wirksamkeit der getesteten Konzepte getroffen werden.
  • Erkenntnisse übertragen: Die gewonnenen Erkenntnisse dienen nun als Grundlage für die Jahresplanung – mit dem Ziel, Budgets differenzierter zu steuern, Streuverluste zu reduzieren und gleichzeitig neue Potenziale zu erschliessen.
  • Wandel verankern: Der strukturierte Test hat nicht nur Klarheit gebracht, sondern auch intern einen Kulturwandel angestossen – hin zu einem mutigen, faktenbasierten und zukunftsorientierten Umgang mit Markt- und Kommunikationsfragen.
    ACC_3 Testkonzepte Umbau Marktbearbeitung_250703-jpg
 Abbildung 2:  Für das Projekt «Umbau der Marktbearbeitung» wurde eine 360° TOUCHPOINT-Studie durchgeführt. Die Ergebnisse bildeten die Grundlage für ein algorithmusbasiertes Touchpoint-Mix-Modelling zur Ableitung datenbasierter Testhypothesen. 

 

Empfehlungen: Marktbearbeitung zukunftsfähig gestalten

Fazit: Transformation beginnt nicht mit einem Tool, sondern mit einem klaren Zielbild – und dem Willen, gemeinsam ins Tun zu kommen.

Das Projekt «Umbau der Marktbearbeitung» sollte fester Bestandteil der Agenda 2026 sein – kundenorientiert, wirkungsorientiert und faktenbasiert. Es betrifft nicht nur die Marktkommunikation, sondern bereichsübergreifend Vertrieb, Marketing, Service und die zugrunde liegenden Prozesse. Zentrale Empfehlungen auf einen Blick:

  1. Klare Vision entwickeln – ein gemeinsames Zielbild schaffen
  2. Transformation aktiv gestalten – über reine Optimierung hinaus
  3. Strukturelle Veränderungen zulassen – alte Muster hinterfragen
  4. Testen und lernen – durch gezielte Pilotprojekte («Turngerät»)
  5. Kanäle vernetzen – crossmedial statt isoliert denken
  6. Zielgruppen differenziert ansprechen – nicht nach dem Gießkannenprinzip
  7. Daten nutzen, aber nicht überregulieren – Mut zur Lücke behalten
  8. Bereichsübergreifend arbeiten – Marketing, Vertrieb & Service integrieren
 
 

 

Erfahren Sie mehr in unserem Webinar:

ACC_Visual Webinar Mix_Master_Linkedin_250714

Webinar 14.08.2025: Umbau der Marktbearbeitung: bis zu 30% Erfolgspotenzial erschliessen

 

 

Accelerom AG - Umbau der Marktbearbeitung: Gemeinsam ins Tun kommen - 07 / 2025

Accelerom Team

Artikel, die unter dem Profil "Accelerom Team" publiziert werden, sind in Zusammenarbeit mehrerer Mitarbeiter entstanden oder es handelt sich um Gastbeiträge.

VERWANDTE ARTIKEL