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Accelerom Team18.12.20 00:005 min read

Sinn statt Schnäppchen lautet die Devise

Mit der Corona-Pandemie ist die Frage nach dem "Sinn der Sache" für Organisationen und Unternehmen ins Zentrum der Zielgruppenansprache gerückt. Die Menschen befinden sich weltweit in einer aussergewöhnlichen Gemütslage. Im Expertengespräch mit Sonja Heller und Christoph Spengler von Accelerom geht es darum, wie man gerade jetzt Zielgruppen dank ganzheitlichem Touchpoint-Management abholen und begeistern kann.

Autor: Beat Hürlimann

 

Unternehmen träumen davon, treue Kunden zu haben, die sie weiterempfehlen, Vorschläge zu Verbesserungen einreichen und im Falle einer schlechten Erfahrung auch mal ein Auge zudrücken. Wie erreicht man das? 

Christoph Spengler: Sinn statt Schnäppchen lautet die Devise! Es geht nicht um "höher, schneller, billiger" sondern um Authentizität und Qualität. Menschen suchen einen Sinn, in dem, was sie tun oder konsumieren und sie wollen dabei "für voll" genommen werden. Werthaltige Erlebnisse und Erfahrungen rücken in den Vordergrund. Aus Sicht des Absenders ein nicht ganz einfach zu realisierendes Unterfangen. Diese Art von Beziehungsaufbau erfordert Ressourcen und kostet Zeit – umso wichtiger, dass man das strategisch angeht. Aber der Aufwand lohnt sich!

 

Das klingt nach einer "universalen Herausforderung"? 

Christoph Spengler: Das kann man so sagen! Handlungsimpulse werden gesetzt und Botschaften kommen an, wenn es dem Absender gelingt, Zielgruppen, Inhalte sowie Kommunikations- und Vertriebskanäle perfekt aufeinander abzustimmen. Dabei ist egal, worum es geht: ob als WWF oder Amnesty International Mitglieder rekrutieren oder loyale und zufriedene Kunden finden, die ihre Produkte und Services weiterempfehlen. Der Dreh- und Angelpunkt sind in jedem Fall die Zielgruppen mit ihren Informations- und Entscheidungspfaden.

 
 
 
 

Abbildung 1: Die drei Schlüsselelemente für eine erfolgreiche Kommunikation: Zielgruppe, Inhalte und Touchpoints (Kommunikations- und Vertriebskanäle, Interaktionsmöglichkeiten mit einer Organisation)

 

Können Sie das anhand eines Beispiels erörtern? 

Sonja Heller: Sehr gerne. Die Aufgabe lautete: Wie kann die Deutsche Telekom Stiftung, eine Unternehmensstiftung mit Bildungsauftrag, Kinder und Jugendliche im direkten Dialog dazu motivieren, sich in ihrer Freizeit in Angeboten zu mathematisch-technisch-naturwissenschaftlichen Themen zu engagieren? Das ist das eine Herausforderung. Weil direkt von den eigenen Erfahrungen und Bedürfnissen auf die Interessen, Wünsche und Sorgen der Jugendlichen schliessen zu lassen, funktioniert nicht: Die erwachsene Marketingfachfrau trennen von ihrer Zielgruppe mit jungen Menschen in der Regel Jahrzehnte. Aber: Wenn man den Austausch mit seiner Zielgruppe sucht und seine Idee, sein Produkt oder seinen Service durch die Augen der Zielgruppe betrachtet wird diese bewältigbar.

 

Wie sind Sie vorgegangen? 

Sonja Heller: Wir sind so vorgegangen, dass wir im Rahmen einer Zielgruppenanalyse vier Zielgruppensegmente identifiziert haben, die sich für unterschiedliche Themen interessieren und unterschiedlich an diese herangehen möchten. Im Rahmen der Touchpoint-Analyse zeigte sich, dass sich die Zielgruppensegmente darüber hinaus auch darin unterscheiden, über welche Kanäle sie gut erreicht werden können – was vor dem Hintergrund, dass eine gemeinnützige Stiftung der Wirtschaftlichkeit verpflichtet ist, eine wesentliche Erkenntnis ist, denn nur so kann zielgerichtet und effizient kommuniziert werden.

 

Was macht eine gute Zielgruppenanalyse aus? 

Sonja Heller: In Bezug auf die Bildung der Zielgruppen möchte ich zwei Punkte ansprechen, die mir wichtig erscheinen. Erstens, Segmentierung auf Basis von demografischen Merkmalen ist zwar verlockend – greift aber für sich genommen zu kurz. Menschen treffen die Entscheidung, etwas zu kaufen oder sich zu engagieren nicht, weil sie alt oder weiblich sind, sondern weil sie unterschiedliche Bedürfnisse haben oder ein Ereignis die jeweilige Entscheidung angestossen hat. Zweitens lohnt es sich, eine Segmentierung auszuarbeiten, die auf das angestrebte unternehmerische Ziel abgestimmt ist. Für das hier vorgestellte Stiftungsprojekt haben wir basierend auf Interessen, Tätigkeitsanreizen und Persönlichkeitsfaktoren eine auf den Auftrag zugeschnittene Segmentierung entwickelt.

 

Sie haben zuvor die Touchpoint-Analyse angesprochen. Welche Rolle spielt sie? 

Christoph Spengler: Angesichts der sehr grossen Komplexität in der Touchpoint-Bewirtschaftung von Unternehmen ist eine ganzheitliche Touchpoint-Analyse sehr hilfreich. Dabei befragen wir etwa Nutzer, Kunden, Unterstützer, potenzielle Kunden oder "Gegner" zu allen relevanten analogen und digitalen Touchpoints. Durch diese externe Validierung der Touchpoints geben wir der gesamten Zielgruppe eine Stimme und schaffen eine faktenbasierte Entscheidungsgrundlage.

 

Sie haben uns dafür ein Modell mitgebracht. 

Christoph Spengler: Um ein Gefühl für die Wertigkeit der einzelnen Touchpoints zu bekommen, kann man diese anhand von zwei Dimensionen klassifizieren: Während auf der einen Achse (y-Achse) die Reichweite eines Touchpoints abgetragen wird, bildet die andere Achse (x-Achse) die Relevanz ab. Bleiben wir bei unserem Beispiel: In dieser Art von Analyse zeigt sich, dass unter anderem Eltern und Apps reichweitenstarke und relevante Touchpoints sind, um Kinder und Jugendliche zu Eigenengagement zu motivieren.

 

Abbildung 2: Deskriptive Einzelbetrachtung der Touchpoints (illustrativ)

Das bedeutet, wenn ich jetzt weiss, dass "Empfehlung Eltern" und "App" in diesem Beispiel gut bewertete Touchpoints sind, dann baue ich meine Strategie auf diesen Touchpoints auf? Oder wie komme ich in die Umsetzung? 

Christoph Spengler: Ganz so einfach ist es nicht. Für den Schritt in die Umsetzung ist eine Betrachtung der Verknüpfung der Touchpoints essenziell. Organisationen bewirtschaften heute eine schier unüberschaubare Anzahl an Touchpoints. Das Ziel muss es sein, sich auf möglichst wenige aber dafür die richtigen Touchpoints zu konzentrieren. Diese Optimierungsaufgabe kann manuell nicht gelöst werden, dafür greifen wir auf erprobte Algorithmen zurück, die uns den optimalen Touchpoint-Mix für eine zu erreichende Zielsetzung berechnen. In unserem Beispiel bedeutet das: Kinder und Jugendliche aus der Zielgruppe «Paul» können mit einem Mix aus Empfehlung durch Lehrer, Tutorials, Empfehlung durch Peers, Bericht TV, Empfehlung Eltern, Projektwoche und Praxisbeispielen im Unterricht bestmöglich auf ihre interessierenden Inhalte aufmerksam gemacht werden.

 

Abbildung 3: Welcher Touchpoint-Mix ist geeignet, die Aufmerksamkeit der Angehörigen der Zielgruppe «Paul» zu gewinnen? Die rechnerische Lösung des Accelerom-Algorithmus (illustrativ)

 

Was erhalten Ihre Auftraggeber als Ergebnis einer Zielgruppen- und Touchpoint-Analyse? 

Christoph Spengler: Unsere Kunden erfahren, welche Zielgruppen sie effizient mit welchen Inhalten über welche Touchpoints erreichen – und zwar in der Verknüpfung dieser drei Schlüsselelemente und auf der Basis von empirischen Daten statt Bauchgefühl. Die zentralen Erkenntnisse passen auf eine einzige PowerPoint-Folie und bieten dennoch die Chance, eine Organisation nachhaltig zu verändern und substanzielle Erfolgspotenziale zu realisieren – sei es monetär auf der Ausgabenseite für Marketingaktivitäten oder im Hinblick auf das Engagement ihrer Zielgruppe.

 

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung in der Organisation? 

Sonja Heller: Die Güte der entwickelten Strategie ist häufig nicht das Problem – die Herausforderung besteht eher darin, die Denkhaltung der Zielgruppenzentrierung bei den Mitarbeitenden zu verankern. Dabei kann die Begleitung durch aussenstehende Experten hilfreich sein. Mitarbeitende müssen sich auf die Veränderungen, die der Erkenntnisgewinn über die Zielgruppen und das Touchpoint-Management mit sich bringen, einlassen. Das kann man nicht erzwingen, aber unterstützen.

Christoph Spengler: Das stimmt, die Mitarbeitenden sind natürlich wesentlich für eine gelungene Umsetzung. Überhaupt muss der Mensch im Vordergrund stehen, also auch die Zielgruppe und ihr Erleben. Digitalisierung ist zwar eines der grossen Schlagwörter unserer Zeit, aber: die Technik spielt eine untergeordnete Rolle. Es ist natürlich eine wichtige Grundvoraussetzung, dass sie funktioniert, aber ein warmes Gefühl erzeugen Sie damit bei der Zielgruppe nicht. Denken Sie Ihre Vorhaben – sei es das Bewirken von Engagement oder das Vorantreiben der Digitalisierung – immer von der Zielgruppe her: Was macht die Interaktion mit Ihren Touchpoints einfach, praktisch, mitreissend oder erfreulich?

Horizont - Expertengespräch zum Touchpoint-Management - Sinn statt Schnäppchen lautet die Devise

Accelerom Team

Artikel, die unter dem Profil "Accelerom Team" publiziert werden, sind in Zusammenarbeit mehrerer Mitarbeiter entstanden oder es handelt sich um Gastbeiträge.

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